NWZ, 5. Februar 2005
GESUNDHEIT / Neues Projekt für psychisch belastete junge Menschen
Erholung für die Seele
SOS Kinder- und Jugendhilfe suchen Gastfamilien
Kindern mit schwierigen Lebensgeschichten soll eine Chance gegeben werden. Mit diesem Ziel starten die SOS-Kinder- und Jugendhilfen im Landkreis ein neues Projekt: Es geht darum, psychisch belastete Kinder für einen längeren Zeitraum in Gastfamilien unterzubringen.
JOA SCHMID
KREIS GÖPPINGEN Die Aufgabe ist nicht leicht und erfordert großes Engagement, dennoch haben sich bereits acht Gastfamilien bei den SOS-Kinder- und Jugendhilfen gemeldet. Sie werden gegen ein angemessenes monatliches Entgelt für längere Zeit Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Störungen aufnehmen, um sie wieder zurück in die Normalität zu führen, erzählt Diplom-Sozialpädagogin Eyke Baum. Sie betreut das neue Projekt "Kinder in Gastfamilien", mit dem die SOS-Kinder- und Jugendhilfen in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendamt und der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Christophsbad an den Start gehen. Eine Anschubfinanzierung der Heinrich-Landerer-Stiftung über 30 000 Euro macht dies möglich.
Das Problem: Es fehlen noch mindestens sieben Familien, die mitmachen. "So viele sind notwendig, um eine geeignete Gastfamilie für jedes betroffene Kind zu finden", sagt Baum. Die Familientherapeutin hofft, dass sich noch weitere Interessenten melden, die die Aufnahme eines psychisch erkrankten und schwer belasteten Kindes "als Herausforderung sehen und helfen wollen". Voraussetzung seien Energie, Durchhaltevermögen, emotionale Wärme und eine wertschätzende Haltung dem Kind oder Jugendlichen gegenüber. Außerdem sollten Interessenten bereit sein, mit der Herkunftfamilie ihres Gastes zusammenzuarbeiten.
Diese Hilfe sei sinnvoll, wenn psychisch belastete Kinder oder Jugendliche in ihren eigenen Familien nicht mehr klarkommen, bestätigt Diplom-Psychologin Elke Looft. Vollstationäre Einrichtungen seien keine Alternative. "Da haben diese Jugendlichen keine Chance", betont die Leiterin der Göppinger SOS-Kinder- und Jugendhilfen. Die Initiatoren versprechen sich von dem Aufenthalt eine Erholung der Seele - ohne klassische Therapie.
Dr. Markus Löble, Leitender Oberarzt der Institutsambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Christophsbad, hat sehr gute Erfahrungen gemacht mit einem ähnlichen Projekt, das er 1996 während seiner Tätigkeit in der psychiatrischen Klinik in Weisenau ins Leben gerufen hat. "Das hat sich mit sehr großem Erfolg etabliert." Nach einer gewissen Zeit habe sich oft herausgestellt, dass die psychische Störung nicht halb so schlimm ist wie gedacht", berichtet Löble. Mittlerweile kümmern sich dort bis zu 80 Gastfamilien um psychisch Kranke.
"Die Kinder sollen am Alltag teilnehmen und ein möglichst hohes Maß an Normalität erfahren", beschreibt Diplom-Psychologin EIke Looft das Ziel. Eine pädagogische oder psychotherapeutische Vorbildung der Gastfamilien ist nicht erforderlich, bestätigt Löble: "Die Familien erhalten eine fachkundige kinder- und jugendpsychiatrieerfahrene Begleitung und Beratung."
Wer hat Interesse?
Familien mit Kindern, verheiratete oder unverheiratete Paare, Alleinerziehende, Einzelpersonen, Ältere oder Jüngere können psychisch belastete Kinder aufnehmen. Wichtig ist der Wunsch, ein Kind oder einen Jugendlichen am eigenen Familienleben teilnehmen zu lassen. Wer Interesse hat, kann sich an die SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen wenden: Tel. (07161) 963 640, E-Mail: kinder-jh-goeppingen@sos-kinderdorf.de.